``So far as the laws of mathematics refer to reality, they are not certain.
And so far as they are certain, they do not refer to reality.''
Albert Einstein
Geometry and Experience
Der Begriff Fuzzy Logic ist seit Beginn der 90er Jahre
in aller Munde. Trotzdem ist es den allerwenigsten klar, was sich
hinter dem Begriff ``fuzzy'' (englisch:
flaumig, faserig, 'fusselig'; kraus, struppig; undeutlich, verschwommen)
verbirgt. Dieser Text hat als Ziel, Licht in das Dunkel zu bringen und
sowohl über die Mathematik der Fuzzy Logic, als auch deren Anwendungen
zu informieren.
Der Begriff ``fuzzy'' wurde 1965 von Lotfi A. Zadeh (Abbildung 1), einem amerikanischen
Elektrotechnikprofessor an der Universität von Kalifornien in Berkeley,
geprägt. Zadeh entwickelte eine neue Art, mit unscharfen Informationen umzugehen,
um die Modellierung komplexer Systeme zu vereinfachen.
Der Begriff ``Fuzzy Logic'' bezeichnet
nicht (wie es der Begriff nahelegen würde) eine bestimmte mathematische Logik,
sondern eine Theorie der ``unscharfen Mengen''. In deutschen Texten wird Fuzzy Logic
daher eher mit ``Fuzzy-Theorie'' oder ``Fuzzy-Systeme'' übersetzt. Die mathematisch
mehrwertige, ``fuzzige'' Logik im engeren Sinn gibt es jedoch auch, und wird in
diesem Text zur Unterscheidung mit ``Fuzzy-Logik'' bezeichnet.
In der Wissenschaft oder in Computerprogrammen wird üblicherweise nur
mit zwei Werten gearbeitet: wahr oder falsch, an oder aus, 1 oder 0.
Zwischenwerte gibt es nicht. Diese binäre Darstellung vereinfacht die
Mathematik und die Computerverarbeitung. Unser Zeitalter der Information
beruht auf dieser digitalen Denk- und Arbeitsweise.
Der Hauptgedanke der Fuzzy Logic hingegen ist der Umgang mit unscharfen Mengen,
also von Mengen, deren Elemente nur graduell zu einer Menge gehören.
Statt nur ``zugehörig'' und ``nicht zugehörig'' werden auch Zwischenstufen
zugelassen. Mit Hilfe der Fuzzy Logic können damit Unschärfen verschiedenster Art
mathematisch beschrieben und gehandhabt werden.
Damit können Paradoxien vermieden werden, die ansonsten bei der Digitalisierung
Probleme bereiten, z.B. ``wieviele Sandkörner braucht man, um einen Haufen zu haben?''
oder ``ab wieviel Jahren bezeichnet man eine Person als alt?'' oder ``ab welcher Höhe
ist ein Hügel ein Berg?''. Diese Fragen machen uns in der Praxis
üblicherweise keine Probleme, erst die genaue Festschreibung erzeugt merkwürdige
Absurditäten. Fuzzy Logic hilft, diese Absurditäten zu vermeiden.
Richtig bekannt wurde Fuzzy Logic erst durch deren erfolgreiche industrielle Anwendungen, besonders aus Japan. Dort gibt es bereits mehr als 1500 erfolgreiche Anwendungen von Fuzzy Logic. Sehr bekannte Beispiele sind die U-Bahn in Sendai, und später die U-Bahn in Tokyo, die mit Hilfe von Fuzzy-Regelung eine sehr komfortables Anfahren und Abbremsen ermöglichen. Neben komplexen industriellen Regelungsaufgaben wird Fuzzy Logic jedoch auch in zunehmendem Maß in Konsumgütern eingesetzt. Beispiele sind Videokameras, die automatisch die leichten Wackelbewegungen von Menschen ausgleichen, Waschmaschinen, die sich automatisch auf den Verschmutzungsgrad der Wäsche einstellen, oder auch kleine Handheld-Computer, die Handschriften erkennen können. Es wird davon ausgegangen, daß im Jahre 2000 rund 5 Mrd. Dollar mit Fuzzy-Technologie umgesetzt werden.
Die Fuzzy Logic wurde von Zadeh entwickelt, da er erkannt hatte, daß die bisherigen Methoden zur Erstellung komplexer Systeme (beschrieben mit Differentialgleichungen oder statistischen Methoden), die sowohl eine hohe Anzahl von relevanten Variablen bzw. Faktoren, als auch eine hohe Abhängigkeit zwischen diesen Faktoren besitzen, zu erheblichen Problemen führen. Aufgrund der steigenden Komplexität der von ihm beobachteten Systeme schrieb er (zitiert nach [Kruse 1995, Seite 66]):
``... that the conventional quantitative technique of system analysis are intrinsically unsuited for dealing with humanistic systems or, for that matter, any system whose complexity is comparable to that of humanistic systems. The basis of this contention rests on what might be called the principle of incompatibility. Stated informally, the essence of this principle is that as the complexity of a system increases, our ability to make precise and yet significant statement about its behaviour diminishes until a threshold is reached beyond which precision and significance (or relevance) becomes almost mutually exclusive characteristics.''
Die bei Fuzzy-Systemen verfolgte Strategie ist es, einen Anteil Präzision
sowie Vagheit und Unsicherheit (verstanden als Unvollkommenheit) bei dem Modellierungsprozeß
zu tolerieren. Durch das gezielte Verwenden dieser nicht perfekten Information
kann man dann den Vorteil einer damit verbundenen Komplexitätsreduktion gegenüber
der genauen Modellierung ausnutzen [Kruse 1996, Seite 4].
Dies kann anhand eines Beispiels aus dem täglichen Leben illustriert werden:
beim rückwärts Einparken in einen engen Parkplatz mit Unterstützung eines Helfers
sind die Anweisungen ``noch ein bißchen weiter nach links'' ``wieder etwas nach vorne''
``noch ein Stück zurück'' üblich und hilfreich. Man stelle sich vor, der Helfer
würde stattdessen sagen ``12 Grad 3 Zoll nach links'' ``12,5 cm nach vorne'' und
``13,4 cm zurück'' sagen; es ist offensichtlich, daß diese Art der Kommunikation, die
vielleicht für technische Prozesse richtig und sinnvoll sein kann, für Menschen in
diesem Zusammenhang nicht angemessen ist. Auch hier kann die Fuzzy-Logic helfen.
Natürlich ist es nicht wünschenswert, bei der Modellierung wichtige Eigenschaften der realen Welt zu ignorieren. Zu bedenken ist, daß die Güte eines Modells nicht von der Exaktheit der einfließenden Informationen abhängt. Für Modelle gibt es spezifizierbare Gütekriterien, wie z.B. Korrektheit, Vollständigkeit, Adäquatheit, Benutzerfreundlichkeit und Effizienz. Ein Modell, welches die Komplexitätsreduktion unscharfer Informationen nutzt, kann durchaus in Bezug auf verschiedene Gütekriterien objektiv besser sein als ein Modell, welches dadurch schwer handhabbar ist, da es generell nur ``präzise'' Informationen zuläßt.
Wie oben gezeigt, kann bei der Modellierung komplizierter Systeme Unsicherheit in Kauf genommen werden, um bessere Modelle zu erhalten. Folgende Arten von Unsicherheit sind dabei von Relevanz [Klir 1988]:
Die Vagheit kann gut durch Bilder verdeutlicht werden: Abbildung 2 stellt uns nicht vor die Frage, ob wir es mit einem Kreis zu tun haben, sondern zu welchem Grad wir es mit einem Kreis zu tun haben, bzw. zu welchem Grad die Abbildung 2 einen Kreis repräsentiert. Daher haben wir es hier mit Vagheit zu tun. Ein typisches Zeichen für Vagheit ist, wenn es zu Aussagen ``mehr oder weniger'' kommt.
Ein Beispiel für Mehrdeutigkeit wäre, vor der Frage zu stehen, welche Lottozahlen morgen
gezogen werden. Es gibt sicher eine eindeutige (scharfe) Antwort, aber diese ist unbekannt.
Ein typisches Zeichen für Mehrdeutigkeit ist, wenn Menschen mit der Achsel zucken,
da sie die richtige Antwort nicht kennen.
Andere Autoren teilen Unschärfe in andere Bereiche auf. So wird auch zwischen
zufälliger Unsicherheit, lexikalischer (linguistischer) Unsicherheit und informationaler
Unsicherheit unterschieden [Zimmermann 1993].
Wie wir später noch sehen werden, stellt Fuzzy Logic ein mathematisches Gerüst dar, um mit Vagheit umzugehen. Besonders oft wird in der Fuzzy Logic mit der sprachlichen Unschärfe von Wörtern wie warm, heiß, kalt, schnell, langsam, etc. umgegangen. Dies kommt den Menschen oft entgegen, da es mit Hilfe von Fuzzy Logic fast direkt möglich ist, Erfahrungen, die man mit Worten beschreiben kann, ohne aufwendige mathematische Modellierung durch Computer nutzbar zu machen. Damit sind wesentlich vereinfachte Schnittstellen zwischen Menschen und Computern denk- und realisierbar.
Der Einsatz von Fuzzy Logic ist überall dort sinnvoll, wo entweder unscharfe Informationen wie Sprache semantisch sinnvoll verarbeitet werden muß, oder komplexe Systeme in vernünftiger Zeit kostengünstig durch Modelle beschrieben werden sollen. Damit gibt es für die Fuzzy Logic eine Vielzahl von Einsatzgebieten. Die bisher erfolgreichsten Anwendungen kommen aus dem Bereich der Automatisierung, der Regelung. Daneben wird Fuzzy Logic aber auch in anderen Bereichen, wie z.B. bei Datenbanken, in der Medizin und bei Expertensystemen immer öfter sinnvoll eingesetzt.
Zadeh stellte erstmalig die Fuzzy Logic 1965 in dem Artikel [Zadeh 1965] vor. Fuzzy Logic hatte alle Probleme, die ein Paradigmenwechsel in der Wissenschaft nur haben kann. Fuzzy Logic galt lange Zeit als unpräzise und wissenschaftlich unseriös. Erst nach über 20 Jahren ist Fuzzy Logic inzwischen als eine sinnvolle Bereicherung akzeptiert, und erfährt seit dem Beginn der 90er einen richtigen Boom. In der Wissenschaft führte die Fuzzy Logic ein regelrechtes Mauerblümchendasein; erst der Erfolg von industriellen Anwendungen öffnete der Fuzzy Logic den Zugang zu Universitäten. Besonders Japan kommt hier eine Vorreiterrolle zu, hier wurde gezeigt, daß sich Fuzzy Logic auch für Massenmarktprodukte einfach, kostengünstig und effizient einsetzen läßt.